München, 20.02.2020. Der Gemeinsame Elternbeirat der Grundschulen der Landeshauptstadt München (GEB GS) nimmt Stellung zu den von Kultusminister Prof. Dr. Michael Piazolo geplanten Maßnahmen zur Sicherung der Strategien für eine sichere Unterrichtsversorgung an Grund-, Mittel-, und Förderschulen vom Januar 2020.

Der GEB GS appelliert in seiner Funktion als Vertreter der Eltern an den aktuell 137 staatlichen Grundschulen und somit 43.178 Grundschülern¹ der Landeshauptstadt München, an die Verantwortlichen, die Diskussion um eine sichere Unterrichtsversorgung nicht “auf dem Rücken” unserer Grundschüler und der Lehrkräfte auszutragen. Vielmehr muss nachhaltig und massiv in Ansehen und Zahl der Grundschullehrkräfte investiert werden. Die Möglichkeit der Lehrkräfte, eine hohe Unterrichtsqualität sicherzustellen, schwindet zunehmend. Vor allem im Hinblick darauf, dass die Grundschulzeit maßgeblich den weiteren Lebensweg zeichnet, ist diese Entwicklung aus Sicht des GEB GS umso besorgniserregender.

Ungedeckter Lehrkräftebedarf durch steigende Schülerzahlen und Ganztag

Bereits 2015 sagte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus in seiner jährlich erscheinenden regionalisierten Schüler- und Absolventenprognose deutlich steigende Grundschüler-zahlen im Freistaat Bayern, aber auch in unserer Region Oberbayern voraus.

Vermehrter Zuzug und die Zunahme der Geburtenrate haben den Anstieg der Anzahl der Grundschüler zusätzlich verstärkt. Dieser Trend wird sich laut den Prognosen des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus auch weiterhin fortsetzen. Glaubt man den statistischen Berechnungen der regionalisierten Schüler- und Absolventenprognose von 2019², ist von heute an bis zum Schuljahr 2025/26 ein sprunghafter Anstieg der Grundschülerzahlen allein in Oberbayern um 20.970 und bis zum Schuljahr 2030/31 um weitere 2.360 Schüler an den staatlichen Grundschulen zu erwarten. Seit dem Schuljahr 2011/2012 (146.157 Schüler) sind das bis 2030/31 knapp 22,8% (179.420 Schüler).

Für München prognostizierte das Referat für Stadtplanung und Bauordnung³ im gleichen Zeitraum einen Zuwachs von 36.593 auf 42.636 Schüler (16,5%). Die für 2030/31 geplanten Zahlen wurden bereits im Schuljahr 2019/20 mit derzeit 43.178 Schülern übertroffen: nach 8 Jahren statt nach 19 Jahren. Damit hat sich die Wachstumsgeschwindigkeit in München mehr als verdoppelt.

Der GEB GS begrüßt den Ausbau des Ganztagsangebots als wichtigen und richtigen Schritt, um die Nachmittagsbetreuung der Kinder im Grundschulalter zu sichern. Eine weitere wichtige Maßnahme, um berufstätige Eltern zu unterstützen, ist der Plan der Bundesregierung, bis zum Jahr 2025 ein Recht auf Ganztagsbetreuung im Gesetz zu verankern. Dennoch wird der Ausbau des Ganztagsangebots konsekutiv zu einem vermehrten Grundschullehrerbedarf führen.

Fazit: Betrachtet man die vorausgesagten Absolventenzahlen des Studienfachs Grundschullehramt und das aktuelle Grundschullehrerangebot, reichen die zukünftigen Neuabsolventen bei Weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken.

Maßnahmen zu Lasten der Unterrichtsqualität?

Der GEB GS wertschätzt die vom bayerischen Kultusministerium ergriffenen Maßnahmen wie z.B. die Zweitqualifikation von Lehrkräften für den Grundschulunterricht. Dennoch ist zu konstatieren, dass keine mittel- und langfristigen Konzepte greifen, um dem seit Jahren bekannten Defizit wirksam und dauerhaft entgegenzuwirken. Diese Entwicklung ist umso unverständlicher, da das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus den steigenden Bedarf an Grundschullehrern schon früh richtig prognostiziert hat.

Die Lehrkräfte an unseren Grundschulen sind seit Jahren durch die Übernahme immer weiterer Aufgaben wie Integration, Inklusion und Erziehung bei gleichzeitig zunehmender Personalnot an der Belastungsgrenze angekommen.

Im Januar 2020 wurden die vom Kultusminister Prof. Dr. Michael Piazolo geplanten Maßnahmen für eine sichere Unterrichtsversorgung an Grund-, Mittel- und Förderschulen präsentiert. Maßnahmen wie Mehrstunden als Kompensation für Lehrkräftemangel sind nicht neu. Möglicherweise werden diese verhindern, dass die in den letzten Jahren durchgeführten Planungen schon im kommenden Schuljahr zu einem massiven Stundenausfall und einer deutlichen Verschlechterung des qualitativen Lehrumfanges an unseren Grundschulen führen werden.

Fazit: Diese Maßnahmen werden nicht dauerhaft ausreichen, um die Unterrichtsversorgung sicherzustellen. Durch die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für Grundschullehrinnen und -lehrer ohne finanziellen Ausgleich, ist eine Reduktion der Attraktivität des Berufs zu erwarten. Dies könnte aus Sicht des GEB GS das bestehende Defizit an Lehrkräften zusätzlich verstärken.

Schon jetzt ist an einigen Grundschulen Münchens - unter anderem - ein Rückgang der von den Schulen angebotenen Arbeitsgemeinschaften zu verzeichnen. An manchen Grundschulen wird nicht eine einzige außerlehrplanmäßige Aktivität angeboten. Eine zusätzliche Belastung der Lehrkräfte durch die notwendige Kompensation fehlender Kolleginnen und Kollegen mindert deren Möglichkeit, sich für die Schüler außerlehrplanmäßig zu engagieren.

Auch ist bei dauerhafter, noch stärkerer Belastung der Lehrkräfte mit einer Demotivation sowie gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu rechnen. Dies kann zu einer weiteren Verschärfung des Mangels mit Verschlechterung der Lehrqualität innerhalb des Schulunterrichts führen.

Zusammenfassung

  1. Der GEB GS appelliert an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, für eine ausreichende Besetzung der Grundschulen mit gut ausgebildeten Lehrkräften zu sorgen. Das ist umso wichtiger, da Lehramtsstudium und Berufsbild Bereiche wie Leistungsdifferenzierung (Diagnostik und Umsetzungsvielfalt), Digitalisierung und MINT zukünftig noch stärker berücksichtigen müssen. Notwendig ist eine Planung nicht nur für das Schuljahr 2020/21, sondern auch für die darauffolgenden Schuljahre. Die aktuelle Notlage sollte auch genutzt werden, um etwaige mittel- und langfristig durchsetzbare Reformen im Schulsystem zu evaluieren.
  2. Außerlehrplanmäßige Angebote wie Arbeitsgemeinschaften sollten weiterhin sichergestellt werden. Zu prüfen ist, inwieweit diese ergänzend von externen pädagogisch ausgebildeten Fachkräften durchgeführt werden können. Auch in der Erziehungs- und Präventionsarbeit sollte vermehrt von extern unterstützt werden. Entsprechende Prozesse sind kurzfristig zu entwickeln. Lehrkräfte könnten sich dadurch vermehrt auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.
  3. Des Weiteren fragt der GEB GS, wie der Beruf der Grundschullehrkraft attraktiver gestaltet werden kann. Die Besoldung sollte an andere Lehrbereiche angeglichen werden. Hierzu zählen aus Sicht des GEB GS aber auch finanzielle Anreize an z.B. Schulstandorten mit erhöhten Lebenshaltungskosten durch z.B. hohe Miet- und ÖPNV-Preise. Flexible Arbeitszeiten (z.B. voll flexible Teilzeit) sollten weiterhin möglich sein.

Als Vertreter der Erziehenden möchte der GEB GS seinen Teil dazu beitragen, die aktuelle Notlage konstruktiv und engagiert zu überwinden. Ebenso sollten das zuständige Ministerium, Lehrkräfte, Lehrerverbände und Lehrergewerkschaften gemeinsam und lösungsorientiert Vorschläge erarbeiten, wie man den bereits im kommenden Schuljahr drohenden Stundenausfall anderweitig akut begegnen kann. Der GEB GS appelliert an die Eltern der Grundschüler, Verständnis für die Grundschullehrkräfte aufzubringen.

Aus Sicht des GEB GS wäre es wünschenswert, wenn sich der Fokus in den Diskussionen zugunsten derjenigen ändern würde, die es über Jahre hinweg betreffen wird: tausende von Grundschülern.

¹ Referat für Bildung und Sport, München, Okt. 2019

² Bay. Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Regionalisierte Schüler- und Absolventenprognose, Juli 2019

³ Referat für Stadtplanung und Bauordnung, Stadtentwicklungsplanung, Perspektive München, Mai 2013

 

Zeichen: 7.601 (mit Leerzeichen)

V.i.S.d.P. (alph.): Prof. Dr. Christian Bayer, Anke Sponer, Dr. Anita Störmann, Alf Zugenmaier

Kontakt: Gemeinsamer Elternbeirat für die Grundschulen der Landeshauptstadt München

www.geb.musin.de, info@geb.musin.de